Dies sind kurze, knappe, unvorhersehbare Phasen, in denen sich einen Moment lang ein Zeitfenster auftut, im Rahmen dessen sich, rein zufällig, lebensbestimmende Dinge, Veränderungen, Wendungen ergeben, sich Weichen stellen, ohne, daß derjenige Mensch, der einen solchen „Schicksalstag" durchlebt, dies zuvor auch nur in Nuancen hätte erahnen können. Manchmal steht man morgens auf – und weiß nicht, daß zwölf Stunden später nichts mehr ist, wie bisher.
Für den Verfasser dieser Zeilen gingen etwa der 10.09.1984, der 07.07.1993 oder der 30.12.2008 als solche „Schicksalstage" in dessen ganz persönliche, intime Historie ein – für andere Menschen mögen genannte Daten purer Alltag gewesen sein, jeglicher bleibender Fakten abhold; dafür haben diese aber wiederum an anderen Tagen solch schicksalhafte Situationen erlebt, die sie ggf. für ihr weiteres Leben gänzlich geprägt haben – ob in positiver oder negativer Weise.
Der aus dem sächsischen Burgstädt stammende Produzent, Komponist und Sänger Andreas Goldmann hat mit seinem Studioprojekt „GOJA" kürzlich ein treffliches Lied aufgenommen, in dem es eben um einen solchen „Schicksalstag" im Leben eines Mannes geht.
Der 45jährige Multiinstrumentalist, der seine musikalische Karriere als Trompetenspieler in eher klassischen Gefilden startete, bevor er sich im Teenageralter mittels Schlagzeug, Gitarre, Baß und Orgel dem Rock’n’Roll und später der bekannten „DDR"-Band „Lotos" zuwandte, arbeitet seit inzwischen 17 Jahren mit der einstigen Grundschullehrerin Heike Fransecky zusammen - hauptsächlich für sein Label, den Pipmatz Musikverlag. Seitdem schrieb er über 300 erfolgreiche Titel für bekannte Künstler (z.B. Gerd Christian, Ronny Krappmann, Petra Frey, Uta Bresan, Nicole Freytag, Anke Lautenbach, Leonard, Ute Freudenberg etc.) in freundschaftlicher Zusammenarbeit, von denen die meisten aus der heutigen Rundfunklandschaft nicht mehr wegzudenken sind.
Vor gar nicht allzu langer Zeit gelang es Heike, ihren langjährigen Arbeitspartner dazu zu überreden, selbst als Sänger an die Öffentlichkeit zu treten. So entstand das liebenswerte Projekt „GOJA", das bislang acht Singles präsentierte – darunter z.B. die absolut überzeugende, nächtlich-melancholische Pop/Rock-Ballade „Schweigen", das eingängige, ultimative Liebesgeständnis „Engel" oder das stille Popchanson „Leben", das so gefühlvoll, wie sympathisch surreal, über eine Urlaubsliebe berichtet - und nun eben mit einem brandaktuellen Titel namens „Schicksalstage" aufwartet.
Musikalisch zwischen latentem Blues, ein wenig Ragtime und Chanson-Attitüde angesiedelt, irgendwie entfernt an Tom Waits erinnernd, erzählt „Schicksalstage" die Geschichte eines Mannes, der aus „Zofall un e janz klei’ bessje Glöck" („BAP") seinen lange herbeigesehnten Flug in den Süden verpasste, sich daher eine Zeitung kaufte, im Wartesaal des Flughafens sitzend, darin eine Kontaktanzeige einer einsamen Frau vorfand – auf die er noch am selben Abend antwortete…
Nun sind er und sie seit langem ein glückliches Paar; er wohnt in einer anderen Stadt als zuvor, hat liebe Kinder – und fragt sich nicht selten, wie sein weiteres Leben wohl verlaufen wäre, hätte die Fluggesellschaft nicht gezickt…
Heike hat in dem von ihr verfassten Text einmal wieder perfekte Bilder gezeichnet, einen unter die Haut gehenden Plot erdacht, den Andreas alias „GOJA" mit dunkler, brüchiger, reifer Stimme kongenial gesanglich umsetzt. Ein nachdenkliches, nachdenkenswertes Lied, dessen Inhalt jeder von uns, so oder ähnlich, garantiert schon mal erlebt hat, und das unzweifelhaft beweist, daß „Goja" jetzt und in Zukunft vielleicht weniger in Richtung Schlager, sondern vielmehr gen Deutschrock/Chanson blicken sollte.
Neue Talente im Bereich des klassischen Deutschrock (ich meine nun nicht „Teenager-Lärm" a la „Silbermond", „Juli" oder „M.I.A.") findet man heutzutage kaum noch. Wir Alt-80er freuen uns natürlich immer wieder über aktuelle Exponate von HR Kunze, „BAP", Grönemeyer, Klaus Lage, Wolf Maahn oder Udo Lindenberg, keine Frage. Aber, ich denke – rein subjektiv –, daß auch und gerade frische, unbedarfte Musiker, die sich für dieses Gebiet hinsichtlich Stimme, Umsetzung, Stil konsequent eignen, versuchen sollten, in diesem Spektrum effektiv zu reüssieren.
Texterin Heike hat inzwischen sämtliche Radiostationen in diesem, unseren Lande mit „Schicksalstage" bemustert. Pfiffige, nicht am Mainstream orientierte Rundfunkredakteure sind nun herzlich eingeladen, dieses wundervolle Blueschanson reichlich in ihren Sendungen aufzulegen; die Fans mögen bitte so lieb sein, und in den Radiohitparaden und –wunschsendungen ihres Vertrauens für diesen Titel zu „voten" (ich hasse Anglizismen… ;)) – so daß „Schicksalstage" vielleicht zu einem wahrlich „schicksalhaften" Titel für „GOJA" wird, der ihn und seine Mitstreiter endgültig im teutonischen Popgeschehen etabliert!
Gesamtnote: Bestwertung
Quelle: Holger Stürenburg
Bitte beachtet auch:
http://www.goja-musik.de
http://www.fransecky.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen